Die Liebesbriefe von Abelard und Lily
Die 16-Jährige Lily ist eigentlich ein ganz normales Mädchen. Sie geht zur High School, trifft sich in der Mittagspause mit ihrer besten Freundin und erlebt den typischen Familienalltag mit ihrer jüngeren Schwester und ihrer Mutter. Allerdings hat Lily Legasthenie und ADHS, weshalb sie regelmäßig Medikamente nehmen soll. Da die Tabletten jedoch jegliches Gefühl in ihr abstumpfen lassen, setzt sie sie heimlich ab – was zur Folge hat, dass sie ihre Gedanken nur noch schwer kontrollieren kann und häufig impulsiv handelt.
Die Erkrankung wird überaus sensibel und nachvollziehbar geschildert, sodass man beim Lesen Lilys Innenleben sehr gut nachvollziehen kann. Eines Tages geht durch ihre Impulsivität buchstäblich eine Tür zu Bruch, weshalb sie zur Strafe nachsitzen muss. Dort trifft sie Abelard, der sie in Schutz nimmt – woraufhin Lily ihn spontan küsst. Abelard wiederum hat das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus, und ist zunächst total überrumpelt. Ihm fällt es schwer, sich an der hektischen und lauten Schule zu integrieren, er ist jedoch hochintelligent.
Langsam entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen den beiden. Lily liebt klassische Bücher, weil sie diese immer zusammen mit ihrem Vater gelesen hat, bevor dieser die Familie verlassen hat. Daher beginnt sie, Abelard wegen der Namensähnlichkeit SMS in Anlehnung an die „Liebesbriefe“ von Peter Abaelard und Heloïse zu schicken. So entsteht eine tiefgründige, intensive Beziehung zwischen den beiden, auch wenn sie sich im realen Leben nur sehr langsam näherkommen, weil Berührungen für Abelard schwierig sind.
Als er auf eine Universität am anderen Ende des Landes gehen soll und Lily eine OP vorgeschlagen bekommt, die ihr die negativen Auswirkungen ihrer Erkrankung nehmen soll, wird die Liebe der Teenager auf die Probe gestellt. Durch den einfühlsamen Schreibstil der Autorin, die selbst ADHS und Legasthenie hat, erhält man einen authentischen Einblick in Lilys Gedankenwelt und kann sich ihrem Charme nicht entziehen. Auch wenn ihre Handlungen für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar sind – Abelard findet sie perfekt: wie „eine gebrochene Schneeflocke, ein sich in unendlichen Details wiederholendes Muster in einer Welt voller Salzkristalle.“
(Neben Abelard und Lily gibt es eine Reihe von Nebencharakteren, die hier nicht vergessen werden sollen, weil sie alle auf ihre Art wichtig für die Geschichte und mit viel Tiefe gezeichnet sind.)
Buchtipp von Helena Flenner
Ab 14 Jahren
Creedle, Laura: Die Liebesbriefe von Abelard und Lily, DTV, 16,95 €